Prof. MATHIS – Hilft die Regulierung durch „Nudges“ den Menschen, bessere Entscheidungen zu treffen, oder gefährdet sie ihre Autonomie?
23. October 2015, 14:00 - 16:00
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Die neoklassische Theorie basiert auf dem Modell des homo oeconomicus, der eigennützig und rational handelt. Hinzu kommt die stillschweigende Annahme der unbegrenzten Wil-lenskraft, d.h. dass einmal gefällte Entscheidungen auch in die Tat umgesetzt werden. Zahl-reiche empirische Studien haben gezeigt, dass die Annahmen der neoklassischen Theorie in der Realität oft nicht zutreffen. Durch die Verhaltensökonomie wird in erster Linie die Ratio-nalitätsannahme hinterfragt.
Daniel Kahneman unterscheidet zwei Denksysteme: einen schnellen, intuitiven Denkmodus (System 1) und einen langsamen, rationalen Denkmodus (System 2). Denkmodus 1 bedient sich kognitiver Faustregeln („heuristics“), die zu kognitiven Verzerrungen („biases“) führen können. Um die Entscheidungen der Individuen zu verbes-sern, schlagen Richard Thaler und Cass R. Sunstein vor, die Entscheidungsarchitektur („choice architecture“) der Individuen so zu gestalten, dass diese in eine bestimmte Richtung „gestupst“ werden.
Beispiele solcher Stupser („nudges“) sind sog. defaults (z.B. Wider-spruchslösung bei der postmortalen Organspende), aber auch andere Maßnahmen wie z.B. Fliegen-Sticker in Toiletten zur Erhöhung der Hygiene oder die Platzierung der gesunden Nahrungsmittel in Kantinen an gut sichtbaren Stellen. Da beim Nudging das Individuum nicht zu einem bestimmten Verhalten gezwungen wird, handelt es sich um eine Form des weichen Paternalismus („libertarian paternalism“). Kritiker bemängeln, dass das Instrument intrans-parent und manipulativ sei. Außerdem maße sich der Staat ein Wissen an, das er nicht habe.
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